Blog – Interview mit Philipp Schweidler | ruby. ag

«Der Kopf findet immer eine Begründung für den Entscheid, den der Bauch getroffen hat»

Philipp Schweidler von Toniq

Philipp Schweidler im Interview

Interviewerin: Katrin Hasler

Philipp, ihr habt dieses Jahr einen neuen Brand gestartet. Was ist bei TONIQ anders als beim Department of Noise?

Wir haben endlich unser hauseigenes TONIQ Water! Das wollte ich schon immer. Die eigene Brennerei ist vorerst vertagt, wir sind ja im Migros City Gebäude zuhause, da würde der Dutti sich sonst im Grab umdrehen. Ernsthaft: TONIQ ist das Resulat vom Zusammenschluss von Department of Noise (DoN) und Stereotyp (ST). Zwei Sound-Agenturen, die sich in ihrer Geschichte, ihren Werten und ihrer Vision immer schon ähnlich waren, den Fokus im Angebot jedoch anders gesetzt hatten. Während sich DoN auf Sound Branding und dessen Anwendungen spezialisiert hatte, hatte sich ST als erstklassige Adresse für Musik für Werbekampagnen und Audio Postproduction einen Namen gemacht. Durch den Zusammenschluss sind wir nun ein One-Stop-Shop für sämtliche Bedürfnisse an Sound und Musik im MarCom-Bereich geworden. Wir sind überzeugt, dass die daraus entstehende konzeptionelle und emotionale Kontinuität und geballte kreative In-house-Kraft einen echten Mehrwert für unsere Kundinnen und Kunden darstellt.

Ihr seid in der Schweiz führend im Bereich Sound Branding. Was ist das und warum ist es wichtig?

Eigentlich ist es ganz einfach: Der Kopf findet immer eine Begründung für den Entscheid, den der Bauch getroffen hat. Da setzt Sound Branding an: Als emotionaler Supercharger der Marke, ihrer Story und dem Erlebnis – unter Einbezug ihrer Persönlichkeit. Sound und Musik nehmen immer Haltung ein und können gerade in Kombination mit der visuellen Ebene den berühmten Unterschied in der Wahrnehmung machen. Sound ist blitzschnell und löst sofort eine entsprechende Zuordnung aus. Wer die Erinnerung beherrscht, gewinnt! Mit einem guten Plan und ansprechendem Design, welches je nach Anwendung durch KI personalisiert oder gezielt an den jeweiligen Touchpoint oder die Massnahme angepasst wird, können sowohl die Kundengewinnung als auch die Kundenbindung wirksam gefördert werden.

In welcher Beziehung steht Sound Branding zum Brand allgemein?

Wirklich sinnhaft ist Sound Branding dann, wenn es in Relation zu allen strategischen und designrelevanten Branding-Aspekten steht. Besonders spannend wird es, wenn Sound komplementär zu anderen Design-Ebenen eingesetzt wird, sprich wenn damit ein Teil der Marke oder der Unternehmung ausgedrückt wird, der auf einer anderen Design-Ebene vielleicht nicht so gut vermittelt werden kann. Vereinfacht ausgedrückt kann beispielsweise eine Retail-Bank auf der Sound-Ebene ihre Digital-First-Strategie vermitteln, während auf der visuellen Ebene die eher klassischen Erwartungen der Kundinnen und Kunden wie «Sicherheit» und «Vertrauenswürdigkeit» abgebildet werden. Sound und Musik werden somit zu Brückenbauern und ermöglichen eine stimmige Gesamtwahrnehmung.

Im Branding ist der «Tone of Voice» wichtig. Wie ist der Zusammenhang zu Sound und was gibt es zu beachten?

Der «Tone of Voice» gibt der Marke eine Stimme, eine «Brand Voice». Diese Stimme setzt sich – wie bei einem Menschen – aus dem Stimmklang und seinen Facetten einerseits sowie andererseits der Art und Weise, wie Sprache eingesetzt wird, zusammen. Dieser gesprochene «Tone of Voice» steht in direktem Zusammenhang zum geschriebenen «Tone of Voice», unterscheidet sich jedoch in seiner Anwendung klar. Bei uns kommt das jeweils zum Ausdruck, wenn bei einer Sprachaufnahme der Sprecher nicht weiss, wie er eine Telefonnummer aussprechen soll, oder die Sprecherin gegen Ende eines Bandwurmsatzes vor Atemnot blau anläuft, weil der Text nicht entsprechend angepasst wurde.

Ist der Schweizer Markt für Sound Branding schon gesättigt?

Wir denken gerade nicht, dass uns die Arbeit ausgehen wird – sonst hätten wir TONIQ wohl nicht gegründet. Die meisten Marketing-Leader sind sich unterdessen bewusst, welchen Beitrag die Tonspur der Marke bei ihrer Arbeit leisten kann, wenn diese nicht nur emotionalisiert, sondern eben plattformübergreifend und dynamisch ausgelegt wird – in Angriff genommen haben's aber noch längst nicht alle. Manchmal, weil sie nicht recht wissen, wie sie an das Thema herangehen sollen oder weil sie Vorbehalte bezüglich Flexibilität haben. Die nehmen wir natürlich gerne an der Hand! Des weiteren können wir durch unsere erweiterte Kompetenz nun die Lücke zu Sound- und Musikbedürfnissen bei klassischen Marketinganwendungen schliessen. Eine schlüssige Marke ist kein Projekt, sondern ein stetiger Prozess.

Welchen Fokus habt ihr neu mit TONIQ?

Nomen est omen. TONIQ heisst nicht nur, sondern ist eben auch ein bisschen wie ein gutes Tonic Water: Eine gekonnte Frische, erstklassige Ingredienzien und beim Mischen mit einem starken Brand entsteht ein wahrer Wow-Effekt... Weil der ist eben möglich mit Sound! Oder etwas weniger werberisch gesagt: Am Anfang steht immer eine bestechende, frische Idee. Wirklich schlagkräftig wird diese aber erst, wenn sie sorgfältig mit den strategischen Ambitionen und Werten der Marke ausbalanciert und dann stilsicher umgesetzt wird. Die Wirkung, die sich mit Sound und Musik erzielen lässt, steht im Zentrum von allem, was wir fühlen und kreieren.

Welche Rolle spielen bei euch KI und neue Technologien?

Sie helfen uns bei der raschen Adaption eines Brandsounds, bei der Personalisierung einer Massnahme und als Sparring-Partner im Ideationsprozess. Noch nie haben sich Ideen so schnell anskizzieren lassen. Dass der Output der aktuellen Tools dabei auch in unserem Bereich häufig noch recht generisch klingt, stört dabei nicht – es ist im Gegenteil sogar eine Motivation, etwas Eigenes zu kreieren, was wirklich on point zur Marke und der entsprechenden Anwendung ist und wirkliche Differenzierung im Markt bringt. Im Content-Bereich haben wir recht lustige Dinge auch schon direkt gepromptet, wobei für den Einsatz mit Mediabudget die rechtlichen Baustellen von KI-generierter Musik noch sehr risikobehaftet sind.

Was ist das Wichtigste, was man im Bereich Marketing und Branding über Sound wissen sollte?

Dass Sound und Musik nur dann ihre verbindende Superkraft entfalten können, wenn sie ganzheitlich gedacht und nicht isoliert betrachtet werden. Dann findet die Art von Emotionalisierung statt, die nachhaltig auf die Marke einzahlt. Der Einstieg zum strategisch überlegten Einsatz von Sound kann dabei durchaus niederschwellig geschehen. Immer Nahe am Kunden gedacht – und bloss nicht geschmacksgetrieben.

Ihr habt schon einige Awards abgeräumt. Womit habt ihr die Jury überzeugt?

Diese Frage müsste wohl eigentlich die Jury beantworten. Es ist vielleicht eine Bestätigung dafür, dass das Zusammenspiel von strategischer Kreativität und gutem Design die Welt und die Gesellschaft, weiter bringt...? Ach, das ist jetzt auch zu geschwollen. Es ist wohl auch einfach ein Glück und Privileg, für starke und inspirierende Marken arbeiten zu dürfen, die unsere Arbeit und damit die Möglichkeit, berücksichtigt zu werden, überhaupt erst möglich machen.

Wie bist du eigentlich zu deinem Beruf gekommen? Was sind die Meilensteine in deiner Karriere?

Nach meiner Zeit an der Musikhochschule Luzern und unzähligen Bühnen in ganz Europa habe ich mich schon recht bald mehr für das Inhaltliche und Konzeptionelle interessiert. Entsprechend habe ich mich im zweiten Abschnitt auf Studioarbeit konzentriert und dabei sehr lange Tage mit Künstlerinnen und Künstlern an ihren Songs und Alben gefeilt. Irgendwann hat sich dann – im Sparring mit meinem langjährigen Geschäftspartner Florian Goetze, der auch bei TONIQ dabei ist – die alte Liebe respektive Faszination für Branding und Design dazu gesellt, was uns veranlasst hat, das Thema Sound Branding zu vertiefen und weiterzuentwickeln, was dann auch zur Transformation zur Sound-Agentur mit sich gebracht hat. Durch glückliche Umstände sind wir dann 2024 mit Dominique Dreier und Kilian Spinnler, zwei äusserst talentierten und auch ein gutes Stück jüngeren Zeitgenossen, ins Gespräch gekommen und haben die Idee von TONIQ als grösste und am breitesten aufgestellte Sound-Agentur der Schweiz geboren. Na dann mal los, lasst uns das nächste Kapitel schreiben! Rückblickend haben alle Stationen viel Sinn gemacht für meine aktuelle Rolle. Wobei sich ja ein guter Plan bekanntermassen auch immer erst im Nachhinein wirklich erklären lässt.

Welche Voraussetzungen braucht es, wenn jemand im Sound Branding tätig sein will?

Ein breites und am besten wohl auch fundiertes Musik-, Branding- und Marketingwissen, wobei das Erste wohl das wichtigste ist, um glaubwürdig auftreten zu können und vor allem auch das richtige Gespür bezüglich der Wirkung von Sound und Musik zu entwickeln. Ein Psychologiestudium kann ebenfalls nicht schaden... Oder auch: Es ist eine sehr interdisziplinäre Aufgabe. Ewige Neugierde und die Lust, aus der Reihe zu tanzen, kann auch nicht schaden. Keine Idee ist zu absurd, bevor sie nicht ausprobiert wurde.

Was möchtest du uns mit auf den Weg geben, worauf wir achten sollten?

Unsere Welt ist zugespammed von Lärm... Kampf der Alltagskakofonie! Ein bisschen weniger laut die Türe hinter sich zumachen, etwas weniger hart aufs Gaspedal und die Hupe drücken. Und Sound ab Sekunde eins auf bewusste Art und Weise beim Design miteinbeziehen, sei's bei der Entwicklung eines Haushaltgerätes oder einer Kommunikationsmassnahme. Der positive Effekt auf unsere Gesellschaft könnte grösser nicht sein.

Über Philipp Schweidler, Partner und Director Strategy, TONIQ Sound Agency AG

  • Partner und Directory Strategy bei der Zürcher Sound Agentur TONIQ
  • Gastdozent an diversen Hochschulen
  • Davor Musiker und Produzent für Künstler wie Marc Sway und SEVEN

Website besuchen: toniq.ch

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