Blog – Interview mit Toni Russo | ruby. ag

«Meine Lieblings­disziplin ist das Geschichten­erzählen»

Toni Russo von bloodbank

Toni Russo im Interview

Interviewerin: Katrin Hasler

Toni, du bist visueller Gestalter. Was bietest du alles an?

Ich glaube ich würde mich mittlerweile als Crossmedia Designer bezeichnen, der hauptsächlich Marken und Unternehmen visuell in der digitalen Welt sichtbar macht, sie positioniert, und sie näher an ihre Zielgruppe bringt – Transformation visuell wie inhaltlich. Was ich biete? Strategische Klarheit. Visuelle Tiefe. Eine Reise durch deine Marke, bei der alles möglich ist. Oder auf das Medium herunter gebrochen: Grafikdesign, Webdesign, Fotografie und Video sowie Illustration.

Welches ist deine aktuelle Lieblingsdisziplin und warum?

Meine Lieblingsdisziplin war und ist das Geschichtenerzählen – ein Prozess, der für mich über die Grenzen einzelner Medien hinausgeht. Mit den Werkzeugen, die mir zur Verfügung stehen, Fotografie, Illustration, Grafik und Video, kreiere ich narrative Räume, in denen sich Bild und Bedeutung gegenseitig verstärken. Es ist dieser Spannungsbogen, das unvorhersehbare «Schwingen» zwischen den Ebenen, das mich als Gestalter inspiriert. Mein Ziel ist es, Inhalte zu schaffen, die nicht nur auf visueller, sondern auch auf emotionaler und intellektueller Ebene wirken. Geschichten, die nachhallen und sich kontinuierlich entfalten.

Dein Stil ist ziemlich einzigartig. Wie würdest du ihn selbst beschreiben und zu welcher Art von Brands passt er am besten?

Mein Stil bewegt sich zwischen zwei Polen: Einerseits arbeite ich für Marken, die Konventionen hinterfragen und mutige, unkonventionelle Wege gehen möchten. Andererseits entwickle ich ebenso gern visuelle Konzepte für Unternehmen, die Wert auf Seriosität und klare Strukturen legen. Bei kreativen, experimentellen Projekten steht der Spass am Gestalten im Vordergrund – hier arbeite ich intuitiv und lasse mich von meiner eigenen Ästhetik leiten. Gleichzeitig schätze ich die klassische, strukturierte Herangehensweise, bei der Effizienz und strategische Markenführung im Fokus stehen. Interessanterweise ergänzen sich diese beiden Ansätze: Die Klarheit und Zielorientierung aus dem klassischen Design helfen mir, auch in kreativeren Projekten Wirkung zu erzielen, und umgekehrt bringt die spielerische Freiheit der experimentellen Arbeit frische Impulse in strategische Markenentwicklungen.

Du hast für deine Diplomarbeit den F+F Förderpreis gewonnen. Worum ging es dabei und was hat die Jury überzeugt?

Auf diese Auszeichnung bin ich besonders stolz. Unter allen Absolventinnen und Absolventen aus den Bereichen Kunst, Mode, Fotografie und Visuelle Kommunikation meines Diplomjahrgangs wurde meine Diplomarbeit mit dem F+F Förderpreis ausgezeichnet. Mein Abschlussprojekt ist eine visuell vielschichtige und inhaltlich tief gehende Buchpublikation. Sie erzählt die Geschichte der Migration meines Vaters, der in den 1980er Jahren aus Sizilien in die Schweiz kam. Dabei setze ich mich mit den Fragen auseinander, was Identität bedeutet, wie sie entsteht und inwiefern sie sich im Kontext von Migration verändert. Wie viel Identität und Heimat kann man in ein anderes Land mitnehmen – und ab wann beginnt etwas Neues zu entstehen? Für das Projekt habe ich mit Archivmaterial gearbeitet, eigene Texte verfasst, Interviews geführt, neue Fotografien erstellt und Plakate gestaltet. Das Ergebnis ist eine vielschichtige, visuell dynamische Arbeit, die ohne Sentimentalität auskommt, dabei aber kompromisslos persönlich bleibt. Diese inhaltliche Tiefe, kombiniert mit der gestalterischen Vielfalt und meiner eigenständigen Herangehensweise, hat letztlich die Jury überzeugt und mir den Förderpreis eingebracht.

Wie balancierst du deinen eigenen künstlerischen Anspruch und die Businessziele deiner Kundinnen und Kunden? Stehen sie überhaupt im Widerspruch?

In nahezu jedem Projekt finde ich einen Aspekt, bei dem ich meine kreative Handschrift einbringen kann – oft in kleinen Details. Manchmal ist es beispielsweise ein besonderes Icon auf einer Webseite, das sich gestalterisch von der Norm abhebt. Viel öfter und besser lebe ich meine künstlerische Freiheit aber in persönlichen Projekten aus. Die eigentliche Herausforderung liegt weniger in der kreativen Balance, sondern vielmehr darin, die Zeit zu finden, um eigene Projekte voranzutreiben, ohne andere Verpflichtungen zu vernachlässigen.

Woraus ziehst du deine tägliche Inspiration? Und kann man Kreativität eigentlich lernen? Wenn ja, wie geht das?

Meine Inspiration entsteht aus allem und nichts. Es gibt keine einzelne Quelle, die ich benennen könnte. Alles, was ich täglich sehe, höre oder berühre, kann Impulse setzen. Oft entstehen kreative Ideen durch eine Art gedankliche Verknüpfung: Eine orangefarbene Jacke, die ich zufällig sehe, kann plötzlich die Lösung für ein gestalterisches Problem sein, an dem ich gerade für einen Kunden arbeite. Kreativität funktioniert für mich auch spielerisch, ähnlich wie bei Kindern. Gefallen an etwas finden, nachahmen, variieren, experimentieren und am Ende entsteht daraus etwas völlig Neues. In diesem Sinne glaube ich, dass Kreativität durchaus erlernbar ist: durch Neugier, Offenheit und die Bereitschaft, sich auf diesen Prozess einzulassen.

Was ist das Wichtigste, was man über Gestaltung wissen sollte?

Sie soll Freude machen sie anzuschauen.

Was gehört in ein Briefing für ein gutes Design? Wie viel Freiheit sollte man jemandem wie dir lassen?

Ein gutes Design-Briefing kann sowohl minimal als auch detailliert sein – beides kann funktionieren. Eine klare Einschränkung hilft, den Fokus zu schärfen, während völlige Offenheit Raum für kreative Exploration lässt. Wenn ein Kunde keine klare Vorstellung hat, übernehme ich die strategische Führung, entwickle gemeinsam mit ihm die Leitlinien und schaffe so eine gezielte Fokussierung. In diesem Prozess entsteht die notwendige Klarheit, die das Design stärkt. Kreative Freiheit ist wertvoll – aber vor allem dann, wenn sie durch eine durchdachte Strategie sinnvoll kanalisiert wird.

Welche Rolle spielen KI und neue Technologien für dich?

Ich nutze KI vor allem zur Programmierung von Skripten für Gestaltungsprogramme wie After Effects und Photoshop, da ich selbst nicht programmieren kann. Grundsätzlich stehe ich neuen Technologien sehr offen gegenüber, probiere sie gerne aus und suche stets nach Möglichkeiten, sie für meine visuelle Gestaltung sinnvoll einzusetzen. Gleichzeitig halte ich es für essenziell, deren Entwicklungen kritisch zu beobachten.

Wie bist du eigentlich zu deinem Beruf gekommen? Was sind die Meilensteine in deiner Karriere?

Ich wollte einen neuen Weg einschlagen. Durch andere habe ich visuelle Kommunikation kennengelernt und war sofort fasziniert – also habe ich es einfach gemacht. Ursprünglich habe ich Multimediaelektronik gelernt, was etwas ganz anderes ist. Meilensteine in meiner Karriere waren definitiv unser Zusammentreffen! Ausserdem war die Zeit bei station ag in Zürich und bei fabrique in den Niederlanden eine wichtige Station, ebenso wie der Förderpreis, den ich erhalten habe. Ein persönlicher Meilenstein war jedoch der Schritt in die Selbstständigkeit.

Welche Voraussetzungen braucht es, wenn jemand in der visuellen Gestaltung tätig sein will?

Neugier ist essenziell – und eine gewisse Fähigkeit, sich Dinge selbst beizubringen, schadet sicher nicht. Ansonsten gibt es keine festen Voraussetzungen. Ich bin sogar der Meinung: Je unkonventioneller der Hintergrund, desto spannender die Perspektive in der visuellen Gestaltung.

Was möchtest du uns mit auf den Weg geben, worauf wir achten sollten?

Mehr Liebe für alle.

Über Toni Russo

  • Studium Design und visuelle Kommunikation an der F+F Schule für Kunst und Design
  • Visual Designer und Art Director bei verschiedenen Agenturen und Unternehmen
  • Seit 2021 Freelancer mit studio bloodbank

Website besuchen: bloodbank.ch

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